WILLIAM BRACEWELL

Der im walisischen Swansea geborene William Bracewell, der sich selbst als „umtriebigen, energiegeladenen kleinen Jungen“ bezeichnet, wurde von seiner Mutter im Alter von neun Jahren zum Ballettunterricht geschickt, um ihn auszulasten. Die Kombination aus künstlerischem Ausdruck und körperlicher Ausdauer, die ihm das Ballett bot, reizte ihn sehr.

Nach sieben Jahren beim Birmingham Royal Ballet stieß Bracewell 2017 zum Royal Ballet in London, wo er sowohl klassische als auch zeitgenössische Rollen verkörpert hat: vom Prinzen im Nussknacker über Romeo in Sir Kenneth MacMillans Romeo und Julia bis hin zu Dante, der zentralen Figur in The Dante Project, choreografiert vom legendären Sir Wayne McGregor.

Für die Spielzeit 2022/2023 wurde Bracewell vom Solisten zum Primaballerino befördert und kann sich nun als erster Waliser mit einer solchen Rolle in der weltberühmten Kompanie rühmen. Heute gilt er als eines der größten Ballett-Talente Großbritanniens, ist aber auch als Sportler und Schauspieler aktiv und seine Energiereserven scheinen noch lange nicht erschöpft zu sein.

WAS IST DAS BESONDERE AM BALLETT, DAS IHRE LEIDENSCHAFT ENTFACHT?

Ich habe mich nicht aufgrund einer einzelnen Sache in das Ballett verliebt, es ist eher die Gesamtheit aus dem Sinn für Musik, dem Sinn für das Spiel und das Element der Disziplin, die das bewirkt hat.

WAS MOTIVIERT SIE DAZU, SICH KONTINUIERLICH WEITERZUENTWICKELN?

Tanz spannt den Bogen zwischen Kunst und Sport. Ich hatte wohl schon immer diesen inneren Wettbewerb mit mir selbst − ich konkurriere nicht wirklich mit anderen. Ich denke, es ist die Kombination aus beständiger Arbeit und der Disziplin, auch dann zu trainieren, wenn ich keine Lust habe, die mich in meiner Karriere an diesen Punkt gebracht hat.

WIE BEEINFLUSST UND INSPIRIERT SIE DAS LEBEN IN LONDON?

Ich glaube, jeder Künstler fühlt sich manchmal ein wenig inspirationslos, doch wenn man an einem Ort wie London lebt, gibt es eigentlich überall Anregung: Es gibt immer ein anderes Tanzstück oder eine andere Kompanie, die man in der Stadt sehen kann. In letzter Zeit bin ich zu einigen Modeschauen eingeladen worden.

„Ich hatte wohl schon immer diesen inneren Wettbewerb mit mir selbst − ich konkurriere nicht wirklich mit anderen.“

Ich finde es faszinierend zu sehen, welches Handwerk in anderen Kunstformen steckt − woher andere Kreative ihre Inspiration aus der Vergangenheit beziehen und wie sie versuchen, diese in die Gegenwart zu übertragen. Und auch ich versuche mit meiner eigenen Kunst diese historischen Tanzstücke für ein modernes Publikum relevant zu machen.

WIE BEWAHREN SIE IHREN KÜNSTLERISCHEN STIL DURCH VERSCHIEDENE TANZSTILE?

Das ist definitiv eine der Herausforderungen bei der Arbeit am Royal Opera House. Da es sich um eine Repertoire-Kompanie handelt, die viele verschiedene Werke aufführt, tanzen wir sehr unterschiedliche Stile, teilweise auch an aufeinander folgenden Abenden. Die Vorbereitung darauf kann sowohl mental als aus physisch eine große Herausforderung sein.

„Auch in nicht-narrativen Stücken drückt man immer etwas aus. Das ist einer der Gründe, warum ich es liebe, zu tanzen: Ich kann mich nicht nur körperlich, sondern auch emotional ausdrücken.“

Sogar die Art und Weise, wie man seine Haltung einnimmt, kann von einem Auftritt zum anderen völlig unterschiedlich sein. Ich mag es, verschiedenen Produktionen unterschiedliche Charaktere zuzuordnen, auch in nicht-narrativen Tanzstücken, sodass ich mich in eine andere Person hineinversetzen kann.
Ich greife bei meiner Arbeit auf viel Visualisierung zurück − je lebendiger das Bild der Figur ist, das ich in meinem Kopf erschaffe, desto mehr kann ich es in meinem Körper spüren und in die Bewegung umsetzen.

WIE SIEHT IHR KREATIVER PROZESS BEI DER VORBEREITUNG AUF IHRE ROLLEN AUS?

Bei einem „Handlungsballett“ lerne ich zunächst die Bewegungen und die Choreografie, und dann versuche ich zusammen mit meinem Trainer genau zu verstehen, was die einzelnen Bewegungen aussagen. Jeder Schritt, den ich mache, ist begleitet von einer inneren Stimme und einem inneren Dialog. Auch in nicht-narrativen Stücken drückt man immer etwas aus. Das ist einer der Gründe, warum ich es liebe, zu tanzen: Ich kann mich nicht nur körperlich, sondern auch emotional ausdrücken.

GIBT ES EINE ROLLE, DIE SIE IN LETZTER ZEIT KÜNSTLERISCH HERAUSGEFORDERT HAT, UND WIE HABEN SIE ES GESCHAFFT, SICH IN DIESE ROLLE HINEINZUFÜHLEN?

Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, den italienischen Dichter Dante Alighieri in The Dante Project von Wayne McGregor darzustellen. Je mehr ich über ihn las, desto mehr wurde mir klar, dass ich versuchte, diese bedeutenden Wiegen der Existenz und der Menschheit darzustellen.

„Ich greife bei meiner Arbeit auf viel Visualisierung zurück − je lebendiger das Bild der Figur ist, das ich in meinem Kopf erschaffe, desto mehr kann ich es in meinem Körper spüren und in die Bewegung umsetzen.“

Ich habe mir also ein Bild von Dantes Charakter gemacht, doch ein großer Teil dieser Rolle bestand darin, meine eigenen Erfahrungen einzubringen und zu versuchen, Parallelen zu seinem und meinem Leben zu finden. Der Versuch, sich in die Figur hineinzuversetzen, ist ebenso wichtig wie die Details ihrer Geschichte, denn je mehr man über eine Figur weiß, desto mehr kann man darauf aufbauen. Ich beschäftige mich gerne mit der Biographie, auch wenn ich sie nicht direkt in die Aufführung einfließen lasse.

SIE HABEN IN IHRER KARRIERE IN SO KURZER ZEIT SO VIEL ERREICHT. GIBT ES ETWAS, DAS SIE IN ZUKUNFT GERNE WEITER ERGRÜNDEN WÜRDEN?

Ich würde gerne den kollaborativen Aspekt meiner Arbeit mit anderen Künstlern weiter ergründen − nicht unbedingt mit anderen Tänzern oder Choreographen, sondern mit Kreativen aus anderen Bereichen. Ich denke, diese Zusammenarbeit birgt erstaunliche Möglichkeiten.

Dr. William Bracewell wurde im Sir John Soane’s Museum in unserer HW24-Kollektion fotografiert.

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